ZENTEK


45 €

428 Seiten mit 378 teils farbigen Abbildungen
Format: 20 x 22 cm
Broschur
LELESKEN-Verlag

ISBN 3-978-9812326-1-5

Leseprobe

Rezensionen

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Designer im Dritten Reich

Designer im Dritten Reich
Gute Formen sind eine Frage der Haltung

Aus der Zeit des Nationalsozialismus sind zahlreiche modern anmutende Gebrauchsgegenstände bekannt, wie Geschirr von Hermann Gretsch, Keramiken von Otto Lindig oder Gläser von Wilhelm Wagenfeld. Schlichtweg ein Missverständnis ist jedoch die Folgerung, die Nazis hätten zumindest in der Produktgestaltung Sympathien für die Moderne gehabt. Die Schlichtheit der Gestaltung war Bestandteil der Nazi-Propaganda, die Machthaber strebten »ewige«, »überzeitliche« Formen an, mit denen individuelle oder gar »entartete« Strömungen dauerhaft verhindert werden sollten. Möbel von nicht genehmen Urhebern wie Le Corbusier oder Mies van der Rohe wurden auch noch nach der Machtergreifung der Nazis verkauft, nun aber ohne Namensnennung. Eine entscheidende Rolle bei der kulturellen »Säuberung« spielte die SS mit ihren Wirtschaftbetrieben, die Produktionsstätten von Porzellan, Keramiken und Möbeln in den Konzentrationslagern unterhielt. Nicht wenige ehemalige Werkbund- oder Bauhausmitglieder ließen sich auf Allianzen mit NS-Behörden wie »Schönheit der Arbeit« ein und förderten so den »einzig guten« Geschmack, ab 1943 »Friedensmuster« genannt. Parallel dazu bereitete die damalige »Elite« der Juristen die Umwälzung des Urheberrechts nach rein ideologischen Grundsätzen vor. Nicht unerwähnt lässt die Publikation, dass viele der Gestalter, so auch Gretsch, Lindig und Wagenfeld, mit Erfolg auch die neue Demokratie nach 1945 zum Fokus ihrer beruflichen Existenz machten. Sabine Zentek, Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht, liefert mit ihrem glänzend recherchierten Buch, das alle Qualitäten eines Standardwerks besitzt, einen ebenso spannenden wie umfassenden und oft erstmaligen Einblick in hochbrisante zeitgeschichtliche Quellen.

Rezensionen

Designreport 4/10

„Die Autorin nennt ihr Buch eine Zufallsarbeit. Denn eigentlich war die Dortmunder Fachanwätin für Urheber- und Medienrecht, Sabine Zentek, gerade dabei, eine juristische Dissertation zum urheber- und musterrechtlichen Schutz von Gebrauchsprodukten seit dem 19. Jahrhundert zu verfassen, als sie bei Archivrecherchen für eines der geplanten Kapitel bemerkte, wie wenig von der Geschichte des Designs und der Designer in der NS-Zeit bis heute aufbereitet ist. Monatelang betrieb sie Quellenstudium, unter anderem im Berliner Bundesarchiv. Tatsächlich klafft da eine Lücke. Zwar wird das Selbstverständliche langsam üblich, nämlich in historischen

Darstellungen von Firmen, Verbänden und Berufszweigen die Jahre von 1933 bis 1945 nicht zu übergehen oder zu verharmlosen. In den letzten Jahren sind viele entsprechende Darstellungen zu einzelnen Designthemen entstanden, kaum aber keine umfassende historische Untersuchung. Schon 1975 erschien in der "form" eine mehrteilige, damals kontrovers diskutierte Serie zur "Gestaltung im Dritten Reich", die Hans Scheerer verfasste, damals Maschinenbau-Diplomand der Universität Stuttgart. Sabine Weißler veröffentlichte 1990 den schmalen Sammelband "Design in Deutschland 1933-1945". Dass die Moderne nicht nur eine verfolgte Unschuld war, zeigte 1993 differenziert die Aufsatzsammlung "Bauhaus-Moderne im Nationalsozialismus - Zwischen Anbiederung und Verfolgung", herausgegeben von Winfried Nerdinger und dem Bauhaus-Archiv. Im Westfälischen Landesmuseum in Münster wurde 2000 die überregional beachtete Ausstellung "Die nützliche Moderne - Graphik- & Produkt- Design in Deutschland 1935-1955" gezeigt und von einem umfangreichen Katalog begleitet. Erstmals wurde hier gestalterischen Kontinuitäten nachgespürt. Und doch: Bis heute gibt es fürdas Design weder eine Dokumentensammlung wie die 1967 von Anna Teut erstellte "Architektur im Dritten Reich" noch eine umfassende, analytische Darstellung wie Werner Durths "Deutsche Architekten - Biographische Verflechtungen 1900 bis 1970" (erschienen 1986).

Schon insofern erhält ein sorgfältig dokumentierter Band über "Design und Designer im Dritten Reich" große Bedeutung. Es ist ein in vieler Hinsicht erstaunliches Buch. Erstaunlich ist sein Umfang von 400 Seiten, erstaunlich, dass sich eine Juristin so intensiv mit der Aufarbeitung von Institutionen und Biografien von Formgestaltern und - eher am Rande - Gebrauchsgrafikern befasst. "Gute Formen sind eine Frage der richtigen Haltung", lautet der Untertitel des Buches. Nachdem die Autorin zu Beginn die Gleichschaltung aller kulturellen Bereiche in Erinnerung gerufen hat, die organisatorischen Voraussetzungen (Reichskulturkammer, Reichskammer der Bildenden Künste) und die "gesetzlichen Grundlagen für Willkür", stellt sie exemplarisch Werk, Lebenslauf und Haltung des Frankfurter Architekten Ferdinand Kramer (1898-1985) dar, der 1937 aus der Reichskammer der Bildenden Künste ausgeschlossen wurde. Kramer emigrierte mit seiner jüdischen Ehefrau in die USA. Zuvor hatte er sich 1934 nicht nur der Gleichschaltung des Deutschen Werkbundes widersetzt, sondern trat umgehend aus dem Werkbund aus, als dieser sich 1934 gleichschaltete.

Zentek gliedert den höchst komplexen Stoff in 15 Kapitel; am Rande tangiert sie dabei auch Kunst, Werbung und Architektur. Regelmäßig stellt sie den - organisatorischen Bedingungen die personelle Umsetzung gegenüber und versucht eine künstlerische Neubewertung von bekannten Gestaltern wie Wilhelm Wagenfeld, Hermann Gretsch anhand von Originaldokumenten und Zitaten. über die Ergebnisse sollte offen diskutiert werden. Zentek stellt die Rolle von konkurrierenden Institutionen im NS-Apparat dar, wie dem Amt Schönheit der Arbeit, das der Deutschen Arbeitsfront unterstellt war, und dem einflussreichen Kunst Dienst, der dem Propagandaministerium zugeordnet war. Sie zeigt auf, wie sich Gestalter durch Mitarbeit bei der SS-eigenen Porzellanmanufaktur Allach oder der Organisation Ahnenerbe, die zeitweise in KZ-Lagern Menschenexperimente betrieb, ideologisch und praktisch auf die NS-Diktatur einließen. Hannah Arendt charakterisierte 1964 in einem Interview die Rolle vieler Intellektueller während der NS-Zeit. Ihre Aussagen lassen sich auf das Design übertragen: "Das waren ja keine Mörder. Das waren nur Leute, die in ihre eigenen Fallen gegangen waren, das waren Leute, denen etwas eingefallen war." Und weiter: "Dass jemand sich gleichschaltete, weil er für Frau und Kind zu sorgen hatte, das hat ihm nie ein Mensch übel genommen. Das Schlimme war doch, dass die dann wirklich daran glaubten, für kurze Zeit, manche für sehr kurze Zeit. Das heißt: zu Hitler fiel ihnen etwas ein." Fehlgeleitete Kreativität: "Und zum Teil ungeheuer interessante Dinge, ganz phantastische und ungeheuer komplizierte Dinge (...). Das heißt, sie gingen ihren eigenen Einfällen in die Falle."

So fern, schwer und unerfreulich uns sein Gegenstand auch erscheinen mag: Das Buch von Sabine Zentek ist, wie Volker Fischer im Nachwort schreibt, verdienstvoll und sollte eine breite Leserschaft finden, "zumindest in den einschlägigen Berufszweigen der Entwerfer und Designhistoriker, Designtheoretiker sowie der Produktmanager und Marketingstrategen in vielerlei Unternehmen".”

Thomas Edelmann

UFITA, Sonderdruck aus Band 2010/III

„Mit der vorliegenden Arbeit wird lange verschüttetes Gelände betreten: in doppelter Hinsicht. Die zeit- wie die rechtsgeschichtliche Entwicklung des Produktdesigns in der Zeit zwischen 1933 und 1945 mit ihrer Vor- und Nachgeschichte ist Teil einer verdrängten

Geschichte und zwar des Bereichs der bislang kaum einmal unter so eingehender und vorurteilsfreier Betrachtung untersuchten Entwicklung dieses spezifischen Urheber- und Musterrechts und seiner ökonomischen Grundlegung. Wie nach der Machtergreifung unter dem Vorzeichen der "völkischen", nationalsozialistischen Doktrin die Gleichschaltung und anders ausgerichtete "Verrechtlichung" des Sektors Design sich darstellte, mit welchen "Anpassungsleistungen" eine Generation von nach dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich und relativ umstandslos an frühere Entwicklungen anknüpfenden Produktdesignern damals auf die sich radikal verändernden Verhältnisse nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten persönlich und beruflich reagierte, ist hier - nach Werner Durths Untersuchung zur Architekturhistorie "Deutsche Architekten" (1986) - am Beispiel renommierter Produktgestalter (Wilhelm Wagenfeld, Otto Lindig, Hermann Gretsch u.a.) detailliert nachzulesen.

Immer im zeitgeschichtlichen Kontext wird die Gleichschaltung mit ihren allgemeinen Umstrukturierungen wie auch am Beispiel erschütternder persönlicher Schicksale dargestellt. Ein renommierter Designer wie Ferdinand Kramer, Gestalter des berühmten "Kramer-Ofens" (Fa. Buderus), musste mit seiner Ehefrau in die USA emigrieren. Er sollte nicht der einzige bleiben. Die Gebrauchskunst wurde dem gleichen Verdikt wie die angebliche "Entartung" der Kunst unterworfen. Mies van der Rohe löste das Bauhaus auf. Der Deutsche Werkbund ließ sich gleichschalten. In der Folgezeit spielte z.B. auch die SS-Forschungsstelle "Ahnenerbe" bei der Gestaltung volkstümlicher Gebrauchsprodukte eine wesentliche Rolle. "Germanische Keramik" und andere Entwicklungen unter den NS-Perspektiven von "Schönheit der Arbeit" wurden Teil einer Propaganda der neuen "Geschmacksdiktatur". An der Spitze der Amtes "Schönheit der Arbeit" stand Albert Speer. Wer nun in NS-Musterbetrieben als Vertrauenskünstler oder Vertrauensarchitekt werken durfte, konnte bei entsprechenden Wandlungen und opportunistischen Haltungen schnell Karriere machen. Jüdische Firmen wurden "arisiert".

Bemerkenswert ist auch, wie der NS-Staat mit dem tradierten Urheber- und Geschmacksmusterschutz umging, d.h. ihn in Teilen schlicht außer Kraft setzte (sh. z.B. S.141-153) bzw. Produktion und Lizenzwesen strengsten Kontrollen unterwarf (sh. die Liste der zunächst zugelassenen Betriebe S. 146). Eine auf die Ziele der NS-Ideologie und -Propaganda ausgerichtete Design-Politik konnte sich in der Industrie weitgehend durchsetzen (S.162f.).

An einer Vielzahl in dieser Systematik und Anschaulichkeit noch nirgends so sichtbaren Produkte der Gebrauchskunst, der Einrichtungsgegenstände und Modellentwicklungen wird die totalitäre Wirtschaftspolitik und NS-Wirtschaftslenkung und die NS-ästhetik deutlich.

Wie andererseits die Tapetenfirma von Emil Rasch gleichwohl ihre Gestaltungslinien "Bauhaus", "Weimar" und "May" rechtlich als "Schutznamen" bewahren und auch sonst sehr geschickt und mit taktischen und verbalen Kompromissen sich vom NS- Einheitsstil zu distanzieren und gewisse Bauhaus- und Neue Sachlichkeits-Traditionen fortzusetzen wusste, zeigt, dass die Verf. bei der Bewertung von Allianzen und der begrenzten Ausnutzung von Nischen zutreffend zu differenzieren weiß. Mit den unterschiedlichsten Institutionen und Maßnahmen wurde insgesamt die NS-Politik auf dem Feld der Gebrauchskunst durchgesetzt. Auch die DIN-Normen wurden als staatliches Lenkungsinstrument eingesetzt. NS-ämter wie "Schönheit der Arbeit" vermochten durch Güte- und Lieferbedingungen unter Umgehung gesetzlicher Schutzrechte sich Monopole zu verschaffen. Alle Unternehmen, die Modelle der DAF herstellen wollten, mussten die Vorgaben selbst bei nicht schutzfähigen oder gemeinfreien Modellen beachten.

Die Normierungen durch den Deutschen Normenausschuß konnte dann auch im Krieg die Einschränkungen und Kontrollen der Industriezweige noch effektiver und gravierender durchsetzen. Schutzrechte Dritter mussten dabei dann im Allgemeinen keine Rolle mehr spielen. Zwangslizenzen, Pauschalabfindungen oder der Verlust formal-gesetzlicher Rechte konnten, wie am Beispiel des Deckelhalter-Patents der Firma Bauscher gezeigt wird, wirksam werden (S.328ff.).

Die urheberrechtlich relevantesten Gestaltungen dieser Jahre stammten von Gretsch, Wagenfeld, Löffelhardt, Mauder und Kükelhaus. Sie bildeten die "Gestalter-Elite" im Dritten Reich, die zur ideologischen Umfunktionierung der Gebrauchsproduktgestaltung nachhaltig beitrugen. Ihre durchaus auch differerenziert zu sehenden, mehr oder weniger angepassten Karrieren , auch bei Auftragsarbeiten wie Gretsch-Geschirr "Reichschulungsburgen", "Modelle Schönheit der Arbeit" (Mauder), Möbel für das Reichsheimstättenamt (Kükelhaus) und das von Wagenfeld begonnene "Diplomatengeschirr" für Allach, die SS-Porzellanmanufaktur, auch die erstaunlichen Kontinuitäten und Brüche nach dem 2. Weltkrieg lassen die Entwicklung der Kriegs- und Nachkriegszeit in neuem Licht erscheinen.

Die außerordentlich fakten- und ertragreiche, archivalisch aus einer Vielzahl von Quellen glänzend dokumentierte Forschungsarbeit, ein Seitenstrang einer in Vorbereitung befindlichen Dissertation (zur historischen Entwicklung des Urheber- und Musterschutzes bei Gebrauchsprodukten) der Dortmunder Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht, mit ihrem durch mehrere Fachwerke bereits ausgewiesenen Schwerpunkt im Designrecht, untersucht die wirtschaftlichen, rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen der "Geschmacksdiktatur" im Nationalsozialismus. Sie widerlegt die noch immer grassierenden Thesen einer fortschrittlichen Modernität dieser Sparten im Dritten Reich und entwirft ein höchst anschauliches, durch eine Fülle von bisher in dieser Form nirgends so systematisch präsentierten Bildmaterials bereichertes Gesamtpanorama. Interessant könnte für die Fortsetzung der Arbeit beispielsweise ein Vergleich mit dem Patentrecht und dem sonstigen immateriellem Eigentum werden, etwa durch die inzwischen mögliche Berücksichtigung der neuen Arbeit von Mächtel über das Patentrecht im Krieg (2009). Es ist der Verf. auch gelungen, die bei der Aufarbeitung solcher schon Jahrzehnte zurückliegenden, aber immer noch teilweise tabuisierten Vergangenheiten von Firmen und Persönlichkeiten auftretenden Hindernisse zu überwinden und rückhaltlos, aber stets sachlich begründet manchen Mythos zu entblättern. Mit Fug und Recht hat deswegen Prof. Kurt Weidemann als Zeitzeuge das Werk mit einem Vorwort versehen. Volker Fischer, Kurator der Designabteilung des Frankfurter Museums für Angewandte Kunst, hat ein informatives und engagiertes Nachwort beigesteuert.”

Rechtsanwalt Dr. jur. Albrecht Götz v. Olenhusen, Freiburg i.Br.

form März/April 2010 (deutsch): Ideologisch durchtränkt

„Man taucht mit diesem Buch in eine düstere Zeit ein. Zur "geistigen Erziehung des neuen Menschen" sollte im Dritten Reich auch die Form dienen. Durchgesetzt werden sollte das nicht nur durch die Säuberung von der als "entartetet" verfemten Kunst, sondern auch im Bereich des Designs. Auf über 400 Seiten widmet sich Sabine Zenteks Buch "Designer im Dritten Reich" diesem Thema. Die Autorin untersucht die zwar diktatorischen, aber nicht minder bürokratisch-organisatorisch aufwändigen Maßnahmen der "Geschmackserziehung" - detailliert, quellenreich und anschaulich. Mit vielen Zitaten versetzt sie den Leser in diese Zeit grotesker Weltanschauungen. Allerdings ist der Titel des Buches etwas unglücklich gewählt, lässt er doch eine Gesamtdarstellung zum Thema Design vermuten - oder etwas Enzyklopädisches zu den Designern. Das aber ist nicht so: Behandelt wird der Aspekt Industriedesign mit dem Schwerpunkt Möbel, Tapeten und Hausrat. Ihnen wurde bei den Nationalsozialisten eine große ideologische Bedeutung zuteil; entsprechend stark war der Einfluss parteinaher Einrichtungen wie etwa des Amtes "Schönheit der Arbeit". Im Grunde behandelt das Buch die allgemeine Kunst- und Kulturpolitik im Dritten Reich anhand der erwähnten Schwerpunkte (dazu gehört auch die Gleichschaltung des Werkbundes). Die Autorin geht auch auf Kunsthandwerk und Handwerk ein, ebenso auf die Verstrickungen der Industrie. Andere Bereiche des Designs, etwa das Grafikdesign, werden aber außen vor gelassen. Im Produktdesign ging es den Nationalsozialisten um die Etablierung schmuckloser, "ewiger Formen", von Moden enthoben und edukativ zugleich. Am besten noch aus der "Substanz des Volkes", seinem "Formenerbe" gewonnen. Unglaublich, welche ideologischen Absurditäten da auf Formen eines Tellers projiziert wurden! Man unterschied nicht mehr zwischen "schön" und "hässlich", sondern zwischen "gut" und "böse" oder gar "gesunder" und "kranker" (also entarteter) Gestaltung.

Sabine Zentek zeigt schlüssig, dass es den Machthabern nicht um eine Fortsetzung der Formensprache der Moderne ging, sondern um ihre Instrumentalisierung mit anderen Motiven. Darum, mit "deutschen Rohstoffen, deutschen Menschen ein deutsches Werk" zu vollbringen; seriell und ökonomisch optimiert etwas Dauerhaftes und Erzieherisches zu schaffen. Interessant sind dabei auch die skizzierten Lebensläufe der Gestalter, ihre Optionen zwischen Anpassung und Emigration. Auch bei denen, die blieben und sich einbrachten, gibt es viele Nuancen - jenen aber, die besonders viel für das Regime taten, sollte das nach dem Krieg kaum schaden.

Die Juristin Zentek geht selbstverständlich auch auf die Veränderungen der Rechtssprechung ein: Da es um Volk und Nation ging, hatten die Gestalter als Urheber zurückzustehen - schließlich würden die "guten Formen" ja bereits seit Jahrtausenden existierten, so die Ansicht. Auf einen Satz gebracht: Das Buch bietet einen profunden und höchst detaillierten Einblick in einen sehr spezifischen Aspekt des Designs im Kontext der ideologisch durchtränkten Kulturpolitik des Dritten Reichs. Interessant dürfte das insbesondere für Designtheroretiker und Kulturhistoriker sein.”

Andreas Koop

Bauwelt 23/2010

„Industriedesign konnte sich im "Dritten Reich" weitgehend unbehelligt von Staat und Partei entwickeln. Führende Gestalter wie Hermann Gretsch, Heinrich Löffelhardt, Otto Lindig oder Wilhelm Wagenfeld arbeiteten weiterhin an der "guten Form"; an der klaren, sachlichen, scnörkellosen Linie in der Produktgestaltung von Tapete bis zum Tafelgeschirr, von der Leuchte bis zum Möbelstück - denn dies war mit dem Zielen des NS-Regimes durchaus kongruent. Daraus jedoch die Folgerung zu ziehen, dass das Regime zumindest in der Produktgestaltung Sympathie für die Moderne gehabt hätte, wäre falsch. Trotzdem waren mehrere ehemalige Bauhaus- und Werkbundmitglieder in NS-Organisationen wie "Schönheit der Arbeit" eingebunden und arbeiteten mit an der Entwicklung einer volkstümlichen Geschmackskultur der Schlichtheit, deren Erzeugnisse ab 1943 dann "Friedensmuster" genannt wurden und alle Bereiche des täglichen Lebens umfassten.

Interessant ist die Arbeit des offiziösen "Kunst-Dienstes", der selbst das "bescheidendste Gebrauchsgerät" in den Zusammenhang eines umfassenden Kulturbegriffs stellte. Neben bekannten Gestaltern wie Gretsch und Wagenfeld, deren Arbeit die Kontinuität zu den 20er Jahren herstellte, gehörten diesen Organisationen auch die Kunsthandwerkerin Alen Müller-Hellwig, der Handwerker Hugo Kükelhaus, der Gebrauchsgrafiker Alfred Mahlau und der Gartengestalter Hermann Mattern an. Vieles, das von ihnen um 1940 entworfen und in Serie produziert wurde, entwickelte sich nach 1945 zu prägenden Geschmacksmustern der westdeutschen Alltagskultur.

Die Autorin ist Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht. Mit ihrer faktenreichen Untersuchung wirft sie einen frischen Blick mit neuen Fragestellungen auf das Design und die Gestalter von Industrieprodukten im "Dritten Reich".”

Ulrich Höhns

amazon 02/2016

„"Designer im Dritten Reich" ist ein Fachbuch von Sabine Zentek. Die Autorin ist Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht und hat bereits zahlreiche Fachbücher geschrieben.

Die Gleichschaltung der Menschen im Dritten Reich sollte unter anderem mit Einheitswaren erreicht werden. Designer waren gehalten, auf persönliche Ausdrucksweisen und schöpferische Empfindlichkeiten zu verzichten. Das Ende der persönlichen Entfaltung sollte der Formung eines neuen Menschen dienen. Künstler wurden zu Dienern der Volksgemeinschaft.

Sabine Zentek zeigt in ihrem Fachbuch auf, wie Design als Propagandamittel eingesetzt wurde, um einen "neuen Lebensstil" im Sinne der Nationalsozialisten durchzusetzen. Beginnend in den Fabriken und Betrieben, wo das Amt "Schönheit der Arbeit" auf die Menschen einwirkte, durchdrang die ideologische Stilvorgabe schließlich alle Bereiche des täglichen Lebens. Beim Geschirr zum Beispiel und dem Besteck, aber auch wenn es um die Muster von Tapeten, Stoffen und Gardinen ging. Neben dem Amt "Schönheit der Arbeit" leistete das "Reichsheimstättenamt" Erziehungsarbeit, indem es der Bevölkerung weismachte, welche Möbel "politisch korrekt" seien. Die Nationalsozialisten erhoben totalitären Anspruch auf den Geschmack der Bevölkerung und hatten die absolute Kontrolle darüber.

In akribischer und wohl auch sehr mühsamer Recherche hat die Autorin zahlreiche original Dokumente zusammengetragen, die ihre These stützen. Anhand von Fotos und Skizzen wird deutlich, welchen Stil das NS-Regime bevorzugte und wie ungeniert Entwürfe anderer Künstler kopiert und für die eigenen Zwecke missbraucht wurden. Zentek stellt die Elite der Designer im Dritten Reich vor und widmet das einführende Kapitel der Gleichschaltung aller kulturellen Bereiche. Besonders geht sie auf die gegensätzlichen Positionen vom Deutschen Werkbund und dem Bauhaus ein. Auch das Schicksal der Bildenden Kunst wird gestreift, wobei Zentekts Hauptaugenmerk ganz klar auf Gebrauchsgegenständen liegt.

"Designer im Dritten Reich" ist ein umfangreiches Fachbuch, das darüber Aufschluss gibt, wie kreative Menschen zu unmündigen Werkzeugen totalitärer Machthaber wurden und wie Design als Propagandamittel missbraucht wurde. Das Buch entstand während Sabine Zenteks Recherche zu ihrer juristischen Dissertation über die geschichtliche Entwicklung des urheber- und musterrechtlichen Schutzes von Gebrauchsprodukten.”

Daniele Mühlbauer